
Bean to Bar-Schokolade ist in aller Munde und erlebt zurzeit einen Boom im Schokoladenhandwerk. Zahlreiche kleine und mittelgroße Betriebe, welche Kakao verarbeiten, positionieren sich als Bean to Bar-Hersteller. Doch was bedeutet Bean to Bar eigentlich genau im Schokoladenbusiness und wie unterscheidet sich das Konzept von herkömmlicher Schokolade?
Was ist Bean to Bar-Schokolade genau?
Bean to Bar, zu Deutsch „von der Bohne bis zur Tafel“, bezeichnet ein Handelsmodel, bei welchem Schokoladenhersteller ihre Kakaobohnen transparent von Händlern, Anbauern oder Kooperativen beziehen und der Kakao sich bis auf die Anbaustelle zurückverfolgen lässt. Der Kakao lässt sich somit nicht nur vom Hersteller zurückverfolgen, sondern auch vom Kunden.
Bei herkömmlicher Schokolade ohne Herkunftsangabe, wie etwa bei Lindt, Milka, Hussel und Co. stammt der Kakao zum größten Teil aus Westafrika und wird in undurchsichtigen Handelsketten zu den Herstellern transportiert. Diese wissen zumeist selbst nicht, wo ihr Kakao genau herkommt, da der Massenkakao von Großhändlern an Riesenhäfen wie Rotterdam oder Hamburg ohne genaue Herkunftsangaben zum Weltmarktpreis abgenommen wird.
Bei Bean to Bar besteht das Ziel darin Zwischenhändler weitestgehend aus der Lieferkette auszuschließen, oder zumindest offen darzulegen, und den Kakao so direkt wie möglich bei den Erzeugern einzukaufen. Dadurch bleibt ein Großteil des Kaufpreises bei den Anbauer*innen und nur wirklich wertschöpfende Zwischenstellen verbleiben in der Lieferkette. Bei solchen Zwischenstellen handelt es sich Beispiel um Anbauer-Kooperativen, Zentrale Kakaofermentierstationen oder transparente Vermittler für Edelkakao, welche sich aktiv für faire Bezahlung und die Verbesserung der Lebensbedingungen der Anbauer*innen einsetzen.
Ein wesentlicher Aspekt, mit welchem die meisten Bean to Bar-Hersteller arbeiten ist das Konzept der Ursprungsschokolade – meist single-Origin genannt. Hierfür wird der Kakao einer bestimmten Region und Sorte genommen, um eine Schokolade herzustellen, welche den regionalen Geschmack einfängt – ähnlich wie bei den Rebsorten des Weines. Statt einfach nur ‚dunkle Schokolade‘, gibt es dann zum Beispiel eine Tafel ‚West-Bali‘ aus dem ortstypischen Kakao der beliebten Urlaubsinsel.
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Bean to Bar ist jedoch weitaus als ein Handelsmodell
Im engeren Sinne bezeichnet Bean to Bar lediglich die Art des Kakaobezugs; transparent und nachvollziehbar bis zur geernteten Bohne. Jedoch steckt hinter dem Begriff so viel mehr – nämlich eine ganze Philosophie der Schokoladenherstellung, welche sowohl den Kakao, als auch die Arbeit der Anbauer*innen würdigt. Um diese Philosophie zu verdeutlichen, haben wir die folgenden Kernpunkte aufgelistet, welche die Grundlage zahlreicher Bean to Bar-Hersteller bilden.
1. Schokolade aus hochwertigem Kakao
Das Ziel der Herstellungsprozesses ist natürlich eine leckere Tafel Schokolade – ganz klar. Bei Bean to Bar-Herstellern kommt der gute Geschmack vor allem durch gute Zutaten, in diesem Fall Edelkakao.
Anders als Massenkakao, welcher in Riesenplantagen für den größtmöglichen Ertrag gezüchtet wird, steht beim Anbau von Edelkakao der Geschmack im Vordergrund. Hierfür werden die Kakaosorten benutzt, welche sich meist nicht im Supermarkt finden lassen. Denn der Kakaobaum ist eine vielseitige Pflanze mit zahlreichen Varietäten und Kultursorten, welche sich über den gesamten Globus erstrecken.
Die Kakaosorten werden zudem nicht auf Massenplantagen angebaut, sondern zumeist im Agroforstsystem. Zwischen Schattenbäumen und anderen Nutzpflanzen wachsen die Kakaobäume entweder halbwild in einem Waldsystem oder sogar wild im Regenwald. So unterschiedlich wie die Sorten und Regionen ist auch der Geschmack, den Kakao entfalten kann – fruchtig, blumig, schokoladig, vegetabil und würzig.
2. Faire Bezahlung und Verbesserung der Lebensbedingungen
Nicht nur Respekt vor dem Rohstoff, sondern auch Respekt gegenüber den Anbauer*innen steht bei Bean to Bar im Vordergrund. Eine Grundlage bildet dabei die faire Bezahlung, gerichtet an jene Personen, die den Kakao anbauen und ernten – sowohl als eigenständige Landwirt*innen, als auch als Arbeiter*innen auf Plantagen. Das Engagement für faire Bezahlung geht meist weit über die Standards des Fair Trade-Logos hinaus und viele Bean to Bar-Hersteller stehen im direkten Kontakt vor Ort mit den Anbauergemeinschaften.
Durch die Organisation der Anbauer*innen in Kooperativen und in Arbeit mit zentralen Fermentierungsanlagen wird der Kakao über Gemeinschaften gehandelt. Diese Gemeinschaften sorgen nicht nur für die angemessene und stabile Preise für den Kakao, sondern sorgen für eine Verbesserung der lokalen Infrastruktur und landwirtschaftliche Bildung, um sowohl Qualität des regionalen Kakaos zu erhöhen, aber auch den Ertrag mit Anbauwissen zu erhöhen.
Bean to Bar-Hersteller zahlen dabei wesentlich höhere Preise für den Kakao, vergeben Prämien für gute Qualität und viele engagieren sich sogar Ort für die Verbesserung der Lebensbedingungen – zum Beispiel indem sie mit den Kakaobauer*innen vor Ort Kooperativen gründen oder beim Ausbau von Straßen, Schulen und Wohnhäusern helfen.
3. Transparente und kurze Lieferketten
Der wesentliche Aspekt der Bean to Bar-Produktion ist die Transparenz der Lieferketten, bei welchen sich die Kakaobohnen mindestens bis zur lokalen Kooperation oder Fermentierstation zurückverfolgen lassen. Die längste Lieferkette sieht hierbei oft so aus:
Die Anbauer*in bringt den Kakao zur zentralen Fermentierstation und wird dort bezahlt. Der Zentralfermentierer liefert den Kakao an ein Handelsunternehmen für Edelkakao. Das Handelsunternehmen verkauft den Kakao direkt an den Bean to Bar-Hersteller.
Lieferketten in Bean to Bar-Herstellung sind sogar oft noch kürzer, da Hersteller eigene Plantagen haben, direkt mit den Anbauer*innen handeln oder direkt beim Zentralfermentierer oder der Kooperative einkaufen.
4. Single-Origin und Sortenreinheit
Jeder Kakao ergibt eine ganz eigene Schokolade mit einem Geschmacksprofil, welches sowohl die Kakaosorte, die Umgebung, als auch die lokalen Anbau- und Erntepraktiken widerspiegelt. Viele Bean to Bar-Hersteller versuchen genau diese Eigenheiten in der Schokoladentafel einzufangen. Ähnlich wie bei Weinen, bei welchen Rebsorte, Anbaugebiet, Hersteller und Jahrgang einen geschmacklich einzigartigen Wein erzeugen arbeiten Schokoladenunternehmen mit der Ernte einer jeweils bestimmten Region, Sorte und Jahrgang. Diese Region-spezifische Herstellung ist oft als Single Origin-Schokolade deklariert. Je kleiner die Region, aus welcher der Kakao stammt, desto besser lassen sich lokale Einzelheiten im Geschmack erkennen.
Einige Bean to Bar-Hersteller arbeiten mit einzelnen Kooperativen für eine Tafel Schokolade oder auch einer einzigen Plantage. Großhersteller hingegen reden meist schon von “Single Origin”, wenn es Land so groß wie West- plus Mitteleuropa, wie zum Beispiel Peru, angegeben wird – obwohl es gerade dort eine Fülle verschiedener Kakaosorten und Anbauregionen gibt.
5. Kakao steht im Vordergrund
Muss man bei einer Tafel Alpenmilch nach der Zutat Kakao schon suchen, steht der Geschmack des Kakaos bei Bean to Bar eindeutig im Vordergrund. Sowohl dunkle Schokolade, als auch Schokoladen aus Milch oder Milchalternativen, besitzen möglichst kurze Zutatenlisten. Dunkle Schokolade besteht meist nur aus Kakaobohnen aus Rohrohrzucker. Auf die Verwendung von Kakaomasse, dem trockenen Presskuchen der zum Teil chemisch verarbeiteten Bohnen, wird zumeist bewusst verzichtet. Anders als bei herkömmlicher Schokolade sind hinzugefügte Aromen, wie Vanillin, tabu.
Im Handwerk wird der Kakao je nach Sorte und Vorlieben der Hersteller durch verschiedene Röstprofile zu Schokolade verarbeitet. Möchte man die fruchtigen Noten des Kakaos betonen, wird weniger geröstet, für einen kräftig-erdigen Geschmack mehr und für die harmonische Balance mit breitem Aromenspektrum wird das Röstprofil minutiös an den Kakao angepasst. Bei der Massenherstellung hingegen wird sehr stark geröstet, um die Bitter- und Gerbstoffe des qualitativ minderwertigen Massenkakaos einfach “herauszurösten” – Aromenvielfalt ist dabei komplett Nebensache.
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