
Single Origin-Schokolade kann sehr schnell zu einem teuren Hobby werden. Dass das aber nicht zwingend so sein muss, haben wir euch im letzten Blog-Beitrag gezeigt – siehe 6 fantastische Bean-to-Bar-Schokoladen für jeweils unter 5€. Aber wie sieht es denn auf der anderen Seite des Preisspektrums aus? Was können die Schokoladen nördlich von 10€ und lohnt es sich so viel Kohle zu blechen für eine einzige Tafel Schokolade?
ORFEVE | Gran Blanco Peru ‘Noir de Noir’ | 10,60€ / 70g

Fangen wir mal an mit der schweizerischen Firma ORFEVE. Diese bringt den bekannt hohen Schweizerischen Chocolatier-Anspruch zu den begehrten und seltenen Kakaos. Anstatt also wie andere aus Funk und Fernsehen bekannte Schweizer Firmen Massenkakao aus afrikanischen Megaplantagen bis zur Geschmacksunkenntlichkeit zu rösten und dann mit Milch aufzugießen, will ORFEVE Edelkakao im Handwerk verarbeiten. Piura Blanco ist unter Craft-Herstellern ein bekannter und vor allem sehr beliebter Kakao. Dieser Albino-Kakao aus Peru gibt sehr helle und vor allem fruchtige Schokolade, die man schon ernsthaft als ‚lebhaft‘ bezeichnen kann, ohne dabei zu sehr ins Weingefasel abzugleiten. Die fruchtigen und hellen Aromen des Piura Blanco gehen bei starker Röstung verloren. Da gilt es also einen Mittelweg zu finden, um 1) entweder eine Balance zwischen Frucht und Röste zu bekommen oder 2) Röstaromen auf die Reservebank zu schicken und den Röstprozess so minimal wie möglich zu einzusetzen. ORFEVE wählt den Weg zur Balance und erhält somit eine Tafel mit den lebhaften hellen Aromen des weißen Kakaos mit gutem Schokoladengeschmack und leichten Röstaromen, wie etwa leicht getoastete Cashews oder Mandeln.
Fazit: Ist die Schokolade den Preis wert?
Ja, absolut. Die Schokolade ist ganz klar oberste Liga und richtet sich an Schokoladenkenner, welche den Geschmack des jeweiligen regionalen Kakaos schätzen und diesen auch mit größter Sorgfalt zu Schokolade verarbeitet sehen wollen. Die Tafel liefert das gewünschte Ergebnis eines begehrten Kakaos und geschmacklich übertrifft sie das Mittelklasse-Segment verschiedener Bean-to-Bar-Hersteller.
Alternative
Günstiger und fantastische Qualität gibt es bei der Peruanischen Firma Cacaosuyo | Piura Select 70%, da kostet die Tafel mit dem seltenen Kakao ca. 7,80€. Die Chocolate Tree | Piura 70% kostet 3,20€ für 40g, ist aber nicht auf dem gleichen Level – jedoch für Einsteiger eine gute Wahl, um mal die Fruchtigkeit dieses Kakaos zu testen.
➤ 🍫 ORFEVE | Alto Piura 75 ‘Noir de Noir’ auf orfeve.com
SOMA | GUASARE, VENEZUELA 70% | 19,95€ / 65G

Guasare-Kakao ist, wie wenige andere, ein echter alter Criollo und benannt nach dem Fluss Guasare in Nord-Venezuela. Criollo-Kakao ist einst in den Hintergrund getreten, da die Bäume sehr anfällig gegenüber Umwelteinflüssen und Krankheiten sind und zudem geringe Ausbeuten bieten. Der Geschmack des echten alten Criollos ist jedoch legendär: hocharomatisch und ohne jegliche Bitterkeit.
Während den frühen Tagen der Kakao-Kultivierung galt venezolanischer Kakao als der Beste, welcher in Europa erworben werden konnte und die Tradition in Nord-Venezuela Kakao anzubauen reicht mehrere Jahrhunderte zurück. Guasare wurde in den 1990ern als wildes Exemplar wiederentdeckt und zählt heute zu den begehrtesten Kakaos überhaupt. Da dieser Kakao etwas wirklich Besonderes ist, soll dieser natürlich auch von Herstellern verarbeitet werden, die das Arbeiten im Handwerk mit Edelkakao in- und auswendig beherrschen. Und nach dem ersten Kosten dieser Schokolade ist klar: Wow, das ist ein echtes Meisterwerk. Der Geschmack ist sehr komplex mit vielen verschiedenen Aromen und trotzdem harmonisch. Die vielen Aromen, wie Feige, Aprikose, Kaffee, Sahne und die tropischen Früchte sind dezent, haben aber den ‚Raum‘, um sich zu entfalten. Obwohl 70%, ist die Tafel angenehm süß mit Karamell-, Marmeladen-, Honig- und Toffeenoten und die Fruchtigkeit des Criollos nimmt verschiedene Gestalten an.
Fazit: Ist die Schokolade den Preis wert?
Ja mit Sternchen. Für Schokoladensammler und Kakaokenner ist die Tafel ein Glanzstück mit historischem Hintergrund. Da hierbei an nichts gespart wurde und einer der besten, seltensten und begehrtesten Kakaos des Planeten absolut professionell verarbeitet wurde rechtfertigt diese Schokolade ihren Preis. Definitiv nichts zum Snacken, sondern für Hardcore-Schokofans die ihre Reise zu den Ursprüngen der Schokolade weiterführen wollen. Etwas günstiger wird es mit der Tafel des gleichen Kakaos von Domori – Domori Guasare 70%.
Alternative
Der Guasare-Kakao ist bei Domori | Criollo Guasare 70% (50g) für ca. 8,50€ zu haben. Domori gehört zu den besten des Handwerks, wenn es um Edelkakao geht und der Kakao stammt, unseres Wissens nach, von den exakt gleichen Anbauern. Trotzdem finden wir die SOMA-Tafel einfach besser.
➤🍫 SOMA | Guasare, Venezuela 70% auf feine-schokolade.com
FRIIS-HOLM | CHUNO TRIPLE TURNED, NICARAGUA 70% | 11,90€

Friis-Holm spezialisiert sich auf Kakao aus Nicaragua und bietet so ziemlich alle bekannten Landrassen an: Johe, Barba, Chuno, Rugoso, O’Payo, Medagla und noch ein paar mehr. Es geht bei dieser Firma des Dänischen Kochs Mikkel Friis-Holm also um die unterschiedene des Kakaos innerhalb eines Landes und verschiedener Fermentierungstechniken des gleichen Kakaos. Hier ist also Präzision angesagt. Bei der Tafel Chuno Triple Turned wurden die Bohnen währen der 5-tägigen Fermentation dreimal gedreht und somit belüftet, was mit jeder Lüftung den finalen Geschmack leicht verändert und diesen dunkler und intensiver macht (Vergleich Chuno Double Turned 70%). Der Kakao wird fair direkt von den Anbauern*Anbauerinnen. Die Tafel selbst schmeckt nach roten Beeren, vegetabil nach dunklen Oliven und sehr cremig mit einem klassischen Schokoladengeschmack. Und dann ist da noch die Kakaobutter. Bei so ziemlich allen Friis-Holm-Tafeln spürt man deutlich die Präsenz von Fett, was zuerst einmal einen faden Geschmack gibt, der sich dann erst später in die einzelnen Aromen des Kakaos entfaltet. Das ist einfach eine Art Schokolade herzustellen und läuft bei z.B. Zotter ähnlich – man muss sich auf den ‚Fettgeschmack‘ zunächst einlassen, um dann später die Kakaoaromen zu erleben.
Fazit: Ist die Schokolade den Preis wert?
Nein mit Sternchen. Die Qualität stimmt und der Geschmack ist auch gut, sobald man sich auf die Kakaobutter einlässt – beziehungsweise sie ignoriert. Für doch recht heftigen Preis kaufen wir jedoch lieber 2 leckerere Schokoladen aus dem Mittelklasse-Segment. Zum Beispiel Georgia Ramon – Honduras 70% (ca. 6€) und Tosier – Maya Mountain Belize 70% (ca. 6€). Zum Probieren aber sehr interessant – zum Glück gibt’s die auch in kleineren Tafeln.
Alternative
Chuno-Kakao in dieser Form ist hierzulande kaum erhältlich, manchmal kann man aber in den Niederlanden Rózsavölgyi Csokoládé | Chuno 72% kaufen. Die Zotter Labooko Tafel ‘Nicaragua’ ist nicht annähernd auf dem gleichen Level, wie die von Friis-Holm. Tja, manchmal sind auch wir etwas ratlos.
CUNA DE PIEDRA | MEXICAN SOCONUSCO CHIAPAS 85% | 12,95€

Soconusco und Chiapas waren einst die meistgeschätzten Kakaogebiete der Azteken und behielten durch die Kolonialzeit hinweg den Status der Regionen mit hochbegehrtem Kakao, der meist gar nicht für Europäische Märkte verfügbar war, da der Kakao fast ausschließlich auch dort wieder verzehrt wurde. Heutzutage schätzen die Regionen ihr Kakao-Erbe und bauen verschiedene Edelkakaos an: moderne Criollos, alte Trinitarios und verschiedene lokale Landrassen. Der Mexikanische Hersteller Cuna de Piedra wählt Kakao von speziellen Genossenschaften aus, welche den Kakao im Agroforstsystem zwischen Zitronen-, Kokos-, Mango- und Ananasbäumen züchten. Die Bäume sind genetisch vielfältige Mischlinge und typisch für die lokalen Gebiete. Die Schokolade selbst schmeckt eher dunkler und bitterer, als man es vielleicht aus der Bean-to-Bar-Welt gewohnt ist und macht ein trockenes Gefühl im Mund, ohne dabei wirklich stark nach Schokolade zu schmecken. Nach dem Stück Schoki brennt es noch leicht im Mund und alles hat sich bei der Adstrigenz zusammengezogen. Es sind zwar Geschmacksnoten von Kaffee, Grapefruit und Karamell vorhanden, jedoch ist man eher abgelenkt von den störenden Beigeschmäckern und der Adstrigenz.
Fazit: Ist die Schokolade den Preis wert?
Nein. Klar ist Schokolade Geschmackssache, aber diese trifft den unsrigen nicht und wir würden die Tafel deshalb nicht nochmal kaufen oder als besonderes Geschenk einplanen.
Alternative
Es wird ein kleines bisschen günstiger (zumindest nominal), aber auf jeden Fall besser mit Fossa | Finca La Rioja 70%; die kostet 10€ für 50g. Von der Millesime | Mexique 80% (5,90€) und der Original Beans | Zoque 88% raten wir eher ab.
MANOA | HAWAII ISLAND 70% | 13,60€ / 50G

Auch auf Hawaii wächst Kakao. Die Pflanze wurde dort nachweislich 1830 aus Guatemala eingeführt, jedoch noch nicht als kommerzielle Kulturpflanze, sondern für die Gärten des Königs David Kalkaua. Manoa verarbeitet den Hawaiianischen Kakao direkt auf den Inseln und bietet sogar Ursprungsschokolade je nach Gebiet auf den verschieden Inseln Hawai’i und O’ahu an. Die Tafel Hawaii 70% schmeckt nach Rum mit Rumgewürzen, Haselnuss und mit leichter Fehlnote nach Aceton, beziehungsweise ‚Fuselstoffen‘ des Alkohols.
Fazit: Ist die Schokolade den Preis wert?
Ja, schon irgendwie. Vielleicht aber nicht genau diese Tafel. Denn Schokolade aus Kakao aus Industrieländern wie den USA, Japan und Australien ist nun einmal wesentlich teurer, da auch die Arbeiter dort Miete, Sprit und Essen von ihrem Gehalt kaufen müssen. Die USA ist mit Hawaii eines der kleinsten Kakaoanbauländer und damit der Kakao eben sehr exklusiv und damit definitiv etwas, womit ihr Schokoladensammlern und Kakaokennern eine echte Freude machen könnt. Aber diese Tafel genau muss es nicht sein.
Alternative
Viel günstiger wird Kakao aus Hawaii nicht, aber es gibt bessere Tafeln. Wir empfehlen die kaum in Europa erhältlichen Island Sharks | 72% Hāmākuā oder Manoa | Ko’olaupoko 70%.
FAZIT
Wie so immer im Leben ist halt nichts simpel und ganz klar in Schwarz und Weiß unterteilt. Bei Ursprungschokoladen begibt man sich halt eben auf Entdeckungsreise und das ist auch der halbe Spaß daran.
Wenn ihr natürlich nicht raten wollt, ob eine Schokolade etwas taugt oder nicht haben wir mit unseren Xóco Boxen schonmal etwas vorbereitet: Die Zusammenstellungen sind speziell für Einsteiger konzipiert und wurden ausgiebig an Freunden, Familie, Schokoholics und Neulingen getestet. Wie wäre es denn mal mit einer Schokoladenweltreise oder einem Schoko-Tasting für Beginner?